Aus der Presse vom 07.06.2018

Seniorensportfest: Lebensqualität durch Bewegung

Die Senioren aus Stade und Mulsum bereiten sich auf das erste Stader Seniorensportfest vor. Mehr als 150 Menschen aus sieben Pflegeeinrichtungen werden am 13. Juni in Ottenbeck Bälle und Ringe werfen, kegeln und mit dem Rollstuhl um die Wette fahren.

Aus dem Katharinenhof in Stade ist Ingeborg Schwenke dabei. Sie trainiert fleißig. Sport erhält die Lebensqualität. Sport schafft Erfolgserlebnisse und soziale Kontakte. Und für Menschen in hohem Alter beginnt der Sport schon mit dem Treppensteigen. Ein Pfleger schiebt im Restaurant des Katharinenhofes in Stade die Tische beiseite.

Sonntagnachmittag ab vier ist dort immer Tanzstunde. Nur Frauen sitzen in der Runde und warten auf Tanzlehrerin Tanya Sedlatzek. Ingeborg Schwenke macht es sich auf einem Stuhl bequem. Sie ist 77 Jahre alt und noch ziemlich mobil. Seit sechs Jahren lebt die Horneburgerin im Katharinenhof. Sie litt an einem Hirntumor. Die Schäden von damals sind heute allenfalls noch zu erahnen. Ingeborg Schwenke bewegt sich aber mit Bedacht. „Ich bin gut drauf“, sagt sie. Dass sie sich heute überhaupt einigermaßen bewegen kann, hätte sie nie gedacht.

Mehr Lebensqualität durch Bewegung

Bewegung. Das Wort fällt im Katharinenhof häufig. Jede noch so kleine Mobilität gilt im Alter als Lebensqualität. Selbst das selbstständige Zähneputzen. Die Definition von Sport verändert sich je nach Lebensphase und je nach Gesundheitszustand. Früher schwamm Ingeborg Schwenke im Sommer fast täglich ihre Bahnen im Horneburger Freibad und fuhr gern Rad. „Aber gemütlich“, sagt sie. Das war ihr Sport. Heute ist es Treppensteigen, Spazierengehen, sitzend tanzen und Gymnastik im Stuhl.

„Jegliche Form eigenständiger Bewegung ist Sport“, sagt Wencke Delekat. Sie arbeitet im Katharinenhof und ist die Ideengeberin für die erste Auflage des Stader Seniorensportfestes. Seitdem die Bewohner des Pflegeheims seit Jahren als „Die Rennschnecken“ beim Stader Altstadtlauf an den Start gehen und die Runde entweder zu Fuß oder im Rollstuhl bewältigen, wollten sie mehr. Der Stader Sportsponsoren-Pool Stade 21 und der VfL Stade als größter Verein der Stadt waren von der Idee sofort begeistert. Wencke Delekat holte alle sechs Stader Pflegeheime ins Boot. Aus Mulsum kommen die Bewohner des Logehofs. 150 Senioren sind beim Sportfest am 13. Juni in Ottenbeck dabei.

Soziale Kontakte und ein Erfolgserlebnis

Zum Aufwärmen für die Tanzstunde streckt Ingeborg Schwenke die Arme in die Höhe. Danach hält sie die Hände nach vorne, zieht die Schultern hoch und tippelt mit den Füßen auf dem Boden. Sie breitet die Arme wie Flügel aus und schwingt sie nach links und nach rechts. Die Frauen aus dem Katharinenhof üben ihre Choreografie. Sie werden mit Kindern zusammen auftreten. Tanzlehrerin Tanya Sedlatzek packt Requisiten aus. Sie verteilt Hüte, Stäbe mit Bändchen, Fächer und Tücher. Ingeborg Schwenke gelingen mit den Utensilien weitreichende Bewegungen. Andere Frauen sind nur dazu in der Lage, die Bändchen sachte zu schwenken. Aber sie lächeln dabei. Sie sind dabei. Sie genießen die sozialen Kontakte. Sie haben ein Erfolgserlebnis.

In der Tanzstunde üben die Senioren eine neue Choreografie ein.

Die Tanzstunde am Sonntag, die Gymnastik jeden Mittwoch, die alltäglichen Angebote im Garten, das Kegeln und das Singen sind Prophylaxe gegen steife Gelenke, Wundliegen und Lungenentzündung. „Der Erhalt und die Förderung der Mobilität sind bei uns handlungsleitend“, sagt Wencke Delekat. Das Schieben eines Rollstuhls sei keine Hilfe für den Bewohner, solange er noch halbwegs selbst fahren kann. Für Wencke Delekat ist das Sport. Auch der halbseitig gelähmte Mann, der eine Etage auf der Treppe schafft oder am Handlauf auf dem gelähmten Bein steht und mit dem gesunden einen Ball schießt, treibe Sport. Genau wie die Dame mit dem frühkindlichen Hirnschaden, wenn sie mit einem Tuch fließende Bewegungen in die Luft zeichnet. „Raus aus der Komfortzone. Rein in die Bewegung“, sagt Wencke Delekat.

Sieben Pflegeheime nehmen teil

Die Senioren aus den insgesamt sieben Pflegeheimen werden beim Sportfest an verschiedenen Stationen antreten. Sie werfen Körbe mit Bällen. Sie tanzen. Sie trainieren die Wirbelsäule, werfen mit Bällen und Ringen auf Dosen und auf Ziele auf dem Boden. Sie lassen Bälle von einer schief stehenden Bank rollen und versuchen, Kegel zu treffen. Walking steht im Programm des Sportfestes. Die Senioren fahren mit einer vier mal hundert Meter Staffel im Rollstuhl um die Wette.

Derzeit laufen die Generalproben für das Sportfest. Die Pfleger des Katharinenhofes fahren ihre Bewohner freitags in die Sporthalle der Berufsbildenden Schulen in Stade. BBS II-Sportlehrer Keno Deke und seine Klasse empfangen dort die Senioren. Die Klasse besteht fast ausschließlich aus Migranten, die ein humanitäres Projekt auf die Beine gestellt haben. „Die Idee, die Senioren zu betreuen, kam von den Schülern“, sagt Keno Deke. Als Flüchtlinge haben die meisten Jugendlichen in Deutschland Hilfe erfahren. „So können sie etwas zurückgeben“, sagt Deke.

Ingeborg Schwenke nimmt den Handball in beide Hände und visiert die Hütchen in sechs Meter Entfernung an. Der erste Versuch geht daneben. Der zweite sitzt. Das blaue Hütchen fällt. Ingeborg Schwenke schaut zufrieden. Jetzt ist Kegeln an der Reihe.


Drei Fragen an… Andrea Rathje, Ärztin in Nottensdorf

Welche Bedeutung hat der Sport im Alter?

Aufgrund der höheren Lebenserwartung und des demografischen Wandels spielt der Sport im Alter eine immer größere Rolle. Es gibt gute wissenschaftliche Belege, dass Sport wie eine Art Wunderpille wirkt, vorbeugt und als Therapie verschiedenster Leiden gilt.

Welcher und wie viel Sport ist für ältere Menschen sinnvoll?

Für Senioren ist das Krafttraining zum Erhalt und Aufbau der Muskulatur wichtig. So wirken sie zum Beispiel auch einer Osteoporose oder einer Sturzneigung entgegen. Die positiven Effekte von Ausdauertraining gegen Herzkreislauferkrankungen und zur Gewichtsreduzierung sind ja bekannt. Koordinationstraining dient zudem der Gehsicherheit und der geistigen Frische. Es gibt gute Daten, die zeigen, dass sportlich aktive Senioren seltener Übergewicht, Schmerzen am Bewegungsapparat, Demenz und auch Krebserkrankungen haben. Ähnlich wie das Zähneputzen sollte Sport als Körperpflege dienen – natürlich nach einer ärztlichen Untersuchung und individuell abgestimmt. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt drei Mal pro Woche eine halbe Stunde Sport, um langfristig positive Effekte zu erzielen. Optimal ist eine Mischung aus zwei Mal Ausdauer- und einmal Krafttraining.

Ändert sich die Definition des Begriffes Sport im Alter?

In verschiedenen Lebensphasen ändert sich immer die Definition von Sport. Hauptsache, die Senioren machen, was ihnen Spaß macht. Wichtig ist, dass sie wissen, was sie sich zumuten können. Wichtig sind zudem Erfolgserlebnisse, die Freude an der Bewegung und soziale Kontakte.

Andrea Rathje lebt in Stade und arbeitet als Ärztin in Nottensdorf. Sie ist Hausärztin, Allgemein- und Sportmedizinerin und betreut die Basketballmannschaft des VfL Stade in der Regionalliga. Zur Zeit fährt sie leidenschaftlich gern Rennrad und betreibt Fitness.

Das Sportfest

Das 1. Stader Seniorensportfest findet am Mittwoch, 13. Juni, in der Zeit von 13 bis 15 Uhr auf der Sportanlage des VfL Stade in Ottenbeck statt. Die Veranstalter erwarten weit mehr als 150 Teilnehmer vom Wohnpark Schwinge, vom Katholischen Altenheim St. Josef am Schiffertor, vom Alten- und Pflegeheim des DRK in Stade, von den Stader Betreuungsdiensten, dem Johannisheim, dem Katharinenhof und dem Logehof in Mulsum. Einer der Unterstützer des Sportfestes ist das Unternehmen Incort, das 20 Leih- und Ersatzrollstühle bereitstellt und für Reparaturen zuständig ist.

Bericht und Quelle: Stader Tageblatt


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